Auf ein Wort Wie Religionen entstanden sind

Autor/Autorin

  • Winfried Herzog

Der iranische Schriftsteller Navid Kermani hat im letzten Jahr ein sehr persönliches Jugendbuch über Religion geschrieben. Es ist entstanden aus dem Dialog mit seiner zwölfjährigen Tochter, der er jeden Abend von der Religion erzählte – nicht nur von seiner eigenen, dem Islam, sondern von dem, was alle Religionen eint, von Gott und dem Tod, von der Liebe und der Unendlichkeit um uns herum. Ein echt ambitioniertes Projekt, das mit ganz viel Herz und Verstand geschrieben ist.

Beim Lesen wird schnell deutlich, was für ein Herzensanliegen es für den Vater Kermani ist, seiner Tochter zu vermitteln, dass es seiner Erfahrung nach ganz bereichernd, ja sogar beglückend ist, an Gott zu glauben, ganz egal in welcher Religion man beheimatet ist. Er schreibt: "Religion ist schließlich nicht in Büros entstanden, in Bibliotheken oder in Klassenzimmern. Die Religionen sind entstanden, wo Menschen sich in der Natur umgeschaut haben oder sich um ihre Liebsten sorgten, als sie selbst krank waren, hungerten oder sich verloren fühlten, bei der Geburt ihres Kindes oder beim Tod der Eltern, also mit den wichtigsten Ereignissen, die es im Leben eines Menschen gibt."

Soweit das Zitat. Und warum war das so? Weil Menschen an solchen Berührungspunkten des Lebens die Erfahrung gemacht hatten, dass sie von Unendlichkeit umgeben sind. Das mag für unsere Ohren in einer hoch technologisierten Welt mit Laptop und Lebensversicherung seltsam klingen, weil wir glauben, schon alles im Griff zu haben. Und dann kommt da so ein unscheinbares Corona-Virus daher und wir merken von einem Tag auf den anderen, wir haben gar nichts in der Hand.

Für viele unserer Vorfahren war dieses existentielle Eingebundensein in etwas Größeres eine alltägliche Selbstverständlichkeit. Oft genügte ein Blick in den Himmel, in das Universum, um zu verstehen, dass es da im Letzten kein Ende gibt, sondern nur noch Unendlichkeit. Und dieser unendlichen Dimension gaben die Menschen dann, je nach kultureller Einbindung, ganz verschiedene Namen, so dass es möglich wurde, sich darauf zu beziehen. So verstanden ist Religion eine Beziehung zwischen dem Endlichen, was wir sind und dem Unendlichen, das auch Gott genannt wird. 

Wer ein Bewusstsein für diese religiöse Dimension des Lebens entwickelt, für den relativiert sich vieles um einen herum. Alles vermeintlich Machtvolle dieser Welt wird überschaubar und klein. Neue Spiel- und Freiräume tun sich auf.  Zuversicht stellt sich ein.

Dieses Thema im Programm: 15. Oktober 2023, 7:40 Uhr

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