Auf ein Wort Die Glocke

Wir sitzen im Garten einer Freundin beim Nachmittagskaffee. Ich schaue auf die gepflegten Beete, die blühenden Rosen, den gemähten Rasen, das kleine Kräuterbeet. In unsere Unterhaltung dringt unüberhörbar Schlag siebzehn Uhr das Geläut einer Glocke. Der Kirchturm von dem es kommt, liegt auf einer Anhöhe, nicht weit vom Haus entfernt. Klar und deutlich breitet sich das Glockenläuten über die Wiesen, die Nachbarhäuser, den kleinen Ort aus. Richtig raumfordernd…..so empfinde ich das Geläute. Es unterbricht unsere Gespräche, lenkt uns ab. "Wieso läutet denn die Glocke jetzt plötzlich?" frage ich. "So mitten in der Woche, zu einer ungewöhnlichen Uhrzeit?" "Das tut sie jeden Tag", antwortet die Gastgeberin  ruhig. "Jeden Tag um die gleiche Uhrzeit läutet die Glocke für fünf Minuten. Jeden einzelnen Tag, seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine. Es ist ein Läuten für den Frieden. Jeden Tag erinnert uns dieses Glockenläuten daran, dass es einen Krieg gibt in Europa, dass Menschen leiden und sterben, ihre Häuser und Städte zerbombt werden, ihre soziales und familiäres Leben irreparablen Schaden erleidet, ihre Seelen traumatisiert werden – vielleicht für immer." Wir schweigen. Ich versuche nachzurechnen, seit wie vielen Tagen diese Glocke nachmittags um siebzehn Uhr ihre Stimme erhebt. Heute ist der 28. Juni 2023. Am ersten Tag, nach Beginn des Krieges startete die Gemeinde ihre Aktion.489 Mal  hat sie also jetzt ausgerufen: "Suche den Frieden und jage ihm nach." ( Psalm 34,15)

Hier sitzen wir in gemütlicher Runde in einem sommerlichen Garten und die Glocke fällt uns in die Behaglichkeit. "Ich höre das ja nun jeden Tag wenn ich zu Hause bin", fährt die Gastgeberin fort "und jedes Mal, wenn die Glocke zu läuten beginnt, unterbreche ich das, was ich gerade tue und bin einen Moment lang still. Meine Gedanken gehen dann zu den Menschen, ich fühle mich mit ihnen verbunden, obwohl ich doch gar nichts tue. Ich bitte darum, dass Frieden geschlossen wird, ich möchte das Geschehen nicht hinnehmen oder mich daran gewöhnen. Das Glockengeläute mahnt mich und es tut mir gleichzeitig gut."

Mir fällt ein Satz des katholischen Theologen Johann Baptist Metz ein: "Religion ist….. Unterbrechung."  Eine Kirchenglocke unterbricht ganz unmittelbar und mit Nachdruck das Leben und Treiben der Menschen im Stadtteil. Es sind Viele, die innehalten, ihr Herz öffnen, ihre Gedanken in das geschundene Land richten, hoffen oder beten. Und das nicht nur einmal, sondern täglich, seit dem 24. Februar 2022. Die Glocke ist hartnäckig und die Sehnsucht der Menschen nach Frieden und Freiheit auch. Diese Sehnsucht dürfen wir uns nicht nehmen lassen!

Dieses Thema im Programm: 09. Juli 2023, 7:40 Uhr

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