Album der Woche Die Stuttgarter Band BRTHR: Lässigkeit als Konzept

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Mehr Laid-back-Feeling geht nicht! Was da aus dem Ländle mit dem Album "Brother" schokoladenzart unsere Ohren erreicht, ist souliger Pop von nachhaltiger Wirkung.

Cover: BRTHR, Brother, Backseat
Bild: Backseat
Cover: BRTHR, Brother, Backseat

So klingt "Brother" von BRTHR

So klingt "Brother" von BRTHR

Bild: Backseat

Schon seit 2013 machen Philipp Eißler und Joscha Brettschneider zusammen Musik. Nun haben sie mit ihrer Band BRTHR am 22. März ihr 4. Studioalbum veröffentlicht. Kennengelernt haben sich die beiden musikalischen Brüder im Geiste auf einem Konzert der Stuttgarter Band "Yasmine Tourist". Eißler, der sich zuvor auf sein Solo-Projekt konzentriert hatte, begann eher locker mit Brettschneider zusammen zu musizieren. Zuerst als Duo und dann, als das erste Album anstand, als vierköpfige Band mit Max Braun am Bass und Johann Polzer am Schlagzeug.

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Nach einer Zeit wurde uns dann bewusst, dass das jetzt wohl ‘ne Band ist.

Philipp Eißler

Die Entwicklung der Band sei ein organischer Prozess gewesen, erinnert Philipp Eißler sich im Gespräch mit Bremen Eins. Den harten Kern von BRTHR würden aber auch heute noch Joscha und er selbst bilden, sie seien auch weiterhin als Duo unterwegs. Das sei spannend, betont Eißler, der für den zurückhaltenden Gesang sorgt, denn auf diese Weise könnten sie immer wieder entscheiden, ob neue Songs im Duo oder in der Bandbesetzung besser funktionieren. Wobei Eißler zugibt, dass ihr Denken in der Bandkategorie an Fahrt gewonnen hat. Also werden Eißlers Songideen im Studio von den BRTHR-Mitgliedern gemeinsam ausgearbeitet. Der Bandname ist dabei Programm, denn wie bei einem Familienkollektiv ziehen alle vier musikalisch am selben Strang. Joscha Brettschneider unterstellt Philipp Eißler dabei sogar prophetische Fähigkeiten, denn unter dem Namen BRTHR sei dieser schon als Solist aufgetreten. Jetzt ist also auch der Bandname sozusagen am Ziel angekommen.

Max Braun, Philipp Eißler, Joscha Brettschneider, Johann Polzer von "BRTHR"
Max Braun, Philipp Eißler, Joscha Brettschneider, Johann Polzer von "BRTHR" Bild: Luzie Marquardt

Bei mir ist es meistens so, dass immer die Musik als erstes kommt, bevor das Textliche kommt.

Philipp Eißler

Wenn Philipp Eißler sich auf die Suche nach Songideen begibt, dann spielt er auf seiner Gitarre mit Akkorden herum und wartet auf einen musikalischen Einfall. Bei ihm kommt immer zuerst die Musik, egal ob als Akkordfolge oder als Melodie. Erst dann schaut er, was sich thematisch oder stimmungsmäßig daraus machen lässt. Aus Songfetzen und Textfragmenten entsteht nach und nach ein Song. Wenn Eißler seine Entwürfe dann der Band vorlegt, kann es sein, dass die Songidee eine komplett andere Wendung nimmt, etwa aus der angedachten Ballade etwas vollkommen anderes wird. Wichtig für Eißler als Songwriter ist es, aus festgefahrenen Mustern ausbrechen zu können. Dazu stimmt er seine Gitarre einfach um und kommt so zu anderen Sounds und verbaut sich darüber hinaus den Weg zu allzu vertrauten Akkorden.

Es gibt nicht das eine Thema, was sich jetzt durchzieht.

Philipp Eißler

BRTHR möchten ihre aktuelle Platte nicht als Konzeptalbum verstanden wissen. In ihren neun auf "Brother" versammelten Songs thematisieren sie Persönliches. Aber auch Politisches im weitesten Sinne beginnt sich in den BRTHR-Themenkreis hineinzuschleichen. Das bedeutet in musikalischer Hinsicht allerdings weder grelle Signale noch Sound-Alarm. Ganz im Gegenteil bleibt alles in die Sanftheit eines überaus flauschigen Soundbettes gehüllt. Eine einheitliche Klangformel ist bei BRTHR also durchaus zu erkennen. Diese offenbart sich in den lässigen Rhythmen, in reduzierten Melodien und dem unbeirrbar entspannten Fließen ihrer Musik. Obendrauf kommen beim neuen Album der butterzarte Schmelz von Streichern und ein zuckerwatteweicher Bläsersatz. Der entspannende Sog von BRTHR kann so weit gehen, dass man bei "When The Morning Comes" gefühlt sein Bett gar nicht verlassen mag und einfach liegen bleiben möchte.

Auch die Kriege, die gerade auf der Welt wüten, sind jetzt auch sozusagen, egal ob man’s will oder nicht, in die Texte mit eingeflossen.

Philipp Eißler

Absoluter Wohlklang und die Auseinandersetzung mit den Katastrophen dieser Welt stellen für BRTHR keinen Widerspruch dar. Denn sie möchten etwas zu sagen haben. Schließlich beschäftigen all diese dunklen Themen doch mehr oder weniger jeden, ist Eißler überzeugt. Bei BRTHR kommt die positive Botschaft als Reaktion auf das Grauen von Kampf und Krieg auf sehr leisen Sohlen daher und äußert sich beispielsweise in einem sanften, das Album abschließenden "Spread The Good Word."

Wir haben den großen Luxus, dass Max, unser Bassist und Produzent, ein Studio hat im Stuttgarter Westen, wo wir eigentlich bisher nahezu alles aufgenommen haben.

Joscha Brettschneider

Die Aufnahmen zu "Brother" sind weitestgehend ein Heimspiel gewesen. Die Basics mit E-Gitarre, Akustikgitarre, Bass und Schlagzeug – bisweilen auch schon den Gesang – haben die vier Musiker in Max Brauns Stuttgarter Studio live aufgenommen. Das spürt man in den Songs. Die Overdubs mit Streichern und Bläsern sind dann unter Brauns Regie in Berlin eingespielt worden. Ansonsten agieren die vier Bandmitglieder im Studio auf Augenhöhe miteinander. Keiner habe die Hosen an, ganz im Gegenteil würden sie alle sich eine „gemütliche Hose teilen", wie Gitarrist Brettschneider es ausdrückt.

Joscha Brettschneider ( links ) und Philipp Eißler ( rechts ) von der Gruppe BRTHR
Bild: Luzie Marquardt

Wir werden ja relativ oft darauf angesprochen, dass unsere Musik ja so gar nicht nach Stuttgart, sondern nach der Weite Amerikas klingt, und das hat sicher seinen Grund.

Joscha Brettschneider

Auf den individuellen Sound von BRTHR angesprochen beruft Joscha Brettschneider sich auf „amerikanisch beeinflusste Gitarrenmusik" mit Anleihen bei Country, Soul und Reggae. Da sind im Hintergrund musikalische Einflüsse von Bill Withers und Al Green, von Mark Knopfler und JJ Cale sowie der aus Arizona stammenden Band Calexico zu spüren. Auch die Klangästhetik des legendären und für den Memphis-Soul so essenziellen Labels Stax Records spielt eine wichtige Rolle in der Soundwelt von BRTHR. In diese führt auf "Brother" der Albumaufmacher "Heartache Street" ein. Mit seinem langsamen Aufbau eine eher ungewöhnliche Wahl. Die Entscheidung für seine Platzierung auf dem Album fiel auch erst im Studio. Denn mit "Heartache Street" konnten BRTHR sich in ihren veränderten Sound gewissermaßen eingrooven. Für Brettschneider führt die im jeweiligen Song angelegte Stimmung zu dieser so zurückhaltenden, aber gleichzeitig so intensiven Atmosphäre ihrer Platte. Und Philipp Eißler legt nach, indem er feststellt: „Für unsere Verhältnisse ist diese Platte unsere Soulplatte." Ihrem Sound würde regelmäßig die Weite Amerikas attestiert, erinnert Gitarren-Streichler Brettschneider sich. BRTHR würden ja so gar nicht nach Stuttgart klingen, heißt es dann. Da mag man sich allerdings die Frage stellen, wie denn Stuttgart üblicherweise klingen soll. Nach überhitztem Talkessel und Weinbergen etwa?

Ich weiß nicht, ob das ‘ne bewusste Entscheidung ist, dass wir eine bestimmte Atmosphäre vermitteln wollen. Es gibt natürlich bestimmte Moods irgendwie, die uns selber gefallen.

Philipp Eißler

Für Musikbrüder-Mastermind Eißler ist "Brother" die bisher opulenteste Platte, die BRTHR aufgenommen haben. Noch nie hätten sie so viele Gastmusikerinnen und –musiker dabeigehabt und durch den Einsatz von Streichern und Bläsern einen beinahe orchestralen Sound kreiert. Somit war die Stimmung von Eißler, Brettschneider, Braun und Polzer anscheinend bereit für diesen etwas breiter aufgestellten Klang. Stimmig jedenfalls ist ihr neues Album von vorn bis hinten, egal ob man die Western-Atmosphäre von "Cool Water" oder das entrückte Schweben von "Haven’t You Heard" im Ohr hat. Jetzt sind BRTHR aber erst einmal auf Tour und machen unter anderem am 2. Mai Station in Hamburg und sind zwei Tage darauf beim Hanse Song Festival in Stade.

Was braucht der Song in unseren Ohren oder in unseren Augen?"

Joscha Brettschneider

„Was braucht ein Song?" Eine gute Frage, die BRTHR für sich schlüssig beantwortet haben: Sie brauchen eben gar nicht so viel, um ein Album, das wie ein entspannter Gleitflug wirkt, auf den Weg zu bringen. Die vier Bandmitglieder von BRTHR haben sich zusammengefunden, weil sie genau die atmosphärische Musik mögen, wie sie auf ihrem neuen Album erfahrbar wird. "Brother" lädt ein zu einer Reise in die Tiefenentspanntheit. Man braucht die Platte nur aufzulegen, um mitzuschweben. Ready to take off?

BRTHR "Brother"
Backseat PR & Labelservices
EAN: 0197190289404
VÖ: 22.03.2024

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Das Gewinnspiel endet am 26. April 2024.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Nachmittag, 22. April 2024, 14:40 Uhr

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