Album Der Woche Andreas Kümmert gibt den stimmgewaltigen “Working Class Hero"

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Im Gespräch wirkt der Musiker aus Unterfranken sehr kontrolliert, spricht mit leiser, sanfter Stimme. Doch wenn Andreas Kümmert seine Gitarre packt und gesanglich aufdreht, dann kocht und brodelt es.

Albumcover Andreas Kümmert "Working Class Hero"
Bild: Drakkar Entertainment
Albumcover Andreas Kümmert "Working Class Hero"

So klingt Andreas Kümmerts "Working Class Hero"

Am 14. April 2023 ist Andreas Kümmert mit seinem kraftstrotzenden 6. Studioalbum ”Working Class Hero” an den Start gegangen.

Bild: Drakkar Entertainment

Am 14. April 2023 ist Andreas Kümmert mit seinem kraftstrotzenden 6. Studioalbum ”Working Class Hero” an den Start gegangen. Die drei Jahre, die seit seinem letzten Album ”Harlekin Dreams” vergangen sind, hatten es allerdings in sich. Nicht nur wegen der für alle Kulturschaffenden so belastenden Pandemie, sondern auch wegen des einschneidenden Erlebnisses, zum ersten Mal Vater zu werden.

Die ganzen Jahre dachte ich, ich weiß, was Rock ’n’ Roll ist. Jetzt weiß ich’s tatsächlich!

Andreas Kümmert

Seitdem er Vater geworden ist, wisse er erst so richtig, was Rock ’n’ Roll sei, gesteht Kümmert schmunzelnd, der zum Interview seine Wohnung verlassen musste, um sein Kind weiter schlafen lassen zu können. Und so umrahmen Vogelgezwitscher und Straßenverkehrsgeräusche das, was er zu seinem “Working Class Hero“ zu erzählen hat. Die Zeit der Pandemie hat Kümmert auf seine eigene, kreative Weise genutzt: In einem umgebauten Bus ist er mit seinen Begleitmusikern zu Leuten nach Hause gefahren, um dort Konzerte auf Abruf zu geben. Er hat Livestreams angeboten und zusammen mit seinen Co-Autoren, dem Gitarristen Stefan Kahne und Drummer Michael Germer, sein neues Album geschrieben. Überdies hat sich der 1986 in Lohr am Main geborene Künstler an eine Kurzgeschichtensammlung gemacht.

Wir sind keine Superstars, sondern wir sind eben geerdete, echte Musiker quasi.

Andreas Kümmert

Mit dem Albumtitel “Working Class Hero“ möchte Andreas Kümmert sich auf die Tatsache beziehen, dass er und seine Mitmusiker mit aller Kraft am aktuellen Album gearbeitet haben und sich als geerdete, echte Musiker, nicht etwa als Superstars verstehen. Wenn Frontmann Kümmert und seine Band also abheben, dann nicht etwa, weil sie die Bodenhaftung verlieren, sondern weil ihre energiegeladene Musik ihnen enorme Schubkraft verleiht. Da kann “Rocket Man“ Kümmert dann mit seiner Stimme wie ein Lavastrom die Luft zum Vibrieren bringen. Seinen Spitznamen trägt der Franke, seit er 2013 mit seiner Version von Elton Johns Hitsingle bei der von ihm gewonnenen 3. Staffel der Castingshow “The Voice of Germany“ Jury und Publikum aus dem Häuschen brachte. Jetzt, zehn Jahre danach, hat Andreas Kümmert seinen “Rocket Man“ endlich mit auf ein Album genommen. Für ihn persönlich stehe dieser Song für den Moment, als er den großen Schritt vom “Irish-Pub-Sänger“ ins Musikbusiness wagte, erzählt er Bremen Eins. Der “Rocket Man“ sei übrigens auch als Dankeschön an seine treuen Fans zu verstehen, die ihn immer wieder gefragt hätten, warum er diesen für ihn so besonderen Titel noch nicht auf eines seiner Alben gepackt hätte.

Der Musiker Andreas Kümmert live auf der Bühne mit seiner Gitarre
Andreas Kümmert Bild: Imago | Bobo

Wir waren alle sehr niedergeschlagen und da entwickelt sich eine Wut - und das haben wir halt einfach so wiedergegeben.

Andreas Kümmert

Kraft, Energie, Glut – all das findet sich tatsächlich in den 13 Songs auf “Working Class Hero“. Das bedeutet nun aber nicht, dass Andreas Kümmert alles einfach so und ungefiltert herausschreit. Obwohl Wut eine der Antriebskräfte für sein aktuelles Album gewesen sei, gibt der Sänger mit dem wuscheligen Bart zu. Er und seine Mitstreiter hätten eine große Niedergeschlagenheit angesichts des desolaten Weltgeschehens empfunden und all das in ihre Songs einfließen lassen. Allerdings ist dieser aus dem Aufeinanderprallen der globalen Schreckensnachrichten mit der eigenen Befindlichkeit entstandene Zorn musikalisch mit Kalkül und Augenmaß eingefangen worden. Selbst eine harte Bluesrock-Nummer wie “In It For The Money“ oder das ungeschliffene Grunge-Stück “In My Bones“ wirken niemals wie aus dem Ruder gelaufen, sondern kanalisieren Kümmerts musikalische Eruptionen ganz im Dienste kompakter Wirkung.

Ich finde, die Gesellschaft hat sich in Deutschland in den letzten vier Jahren mit der Pandemie geändert.

Andreas Kümmert

In seinen Songtexten verarbeitet Andreas Kümmert Alltägliches, Autobiografisches, aber auch Gesellschaftskritisches. Ihm sei aufgefallen, dass sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahren bedingt durch das Weltgeschehen und die Pandemie verändert habe, berichtet er. Das ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Aber von einem gewissen Orientierungsverlust ist Kümmert selbst auch nicht frei geblieben, wie einige von ihm als Satire bezeichnete Instagram-Videos sowie ein Bericht der Main-Post vom 21. August 2020 nahelegen. Dort heißt es, er habe in einem seiner Videos eine Supermarktkassiererin beleidigt, weil diese ihn auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. Kümmert distanzierte sich umgehend davon und teilte mit, dass er durch ein ärztliches Attest von der Maskenpflicht befreit und keinesfalls ein Corona-Leugner sei. Aber dass der Sänger mit der vulkanischen Stimme nicht gerade zu den Angepassten gehört, muss jedem spätestens klar geworden sein, als er 2015 als Sieger aus dem deutschen Vorentscheid „Unser Song für Österreich“ für den Eurovision Song Contest vor laufender Kamera auf die Teilnahme am Finale verzichtete und so für die Zweitplatzierte, Ann Sophie, den Weg nach Wien freimachte. Rückblickend stellt Kümmert heute fest, dass er nach seiner Entscheidung zwar überwiegend Hasskommentare bis hin zu Morddrohungen aushalten musste, dass dieses aber auch seinen Blick auf die Gesellschaft verändert und ihm im Endeffekt auch geholfen habe.

Andreas Kümmert
Bild: Thomas Berberich

Wir haben auch zu dritt einfach Songs geschrieben, indem wir stundenlang gejammt haben und dann einfach mitgeschnitten haben.

Andreas Kümmert

Die neuen Songs sind von etwa Mitte 2021 bis Mitte 2022 entstanden, indem Andreas Kümmert mit seinen Ideen ins KhaneLab-Studio in Bad Dürkheim kam. Dort arbeitete er diese zusammen mit seinem Produzenten Stefan Kahne und Michael Germer aus. Oder aber man jammte vor Ort stundenlang gemeinsam. Aus den Mitschnitten haben die drei sich dann die besten Ideen herausgepickt. Die Texte allerdings stammen alle aus der Feder von Andreas Kümmert. Er hat sie - sich den bereits vorliegenden Musikrohlingen nach und nach über Nonsens-Texte nähernd – den endgültigen Songs schließlich maßgeschneidert auf den Leib gesungen. Das klingt kompliziert, aus dem Munde Andreas Kümmerts jedoch ziemlich tiefenentspannt.

Das ist ein Rockalbum – einfach ein solides Rockalbum.

Andreas Kümmert

Mehr als tiefenentspannt, ja, aus tiefstem Herzen heraus singt Andreas Kümmert seine anrührende Ballade “Space Ship“. Diese hat er backstage im Alleingang geschrieben, nachdem er Ende 2021 erfahren hatte, dass er Vater werden würde. Das sei etwas Wunderschönes und Hoffnungsvolles, bedeute aber auch Veränderung und Angst, gibt Kümmert zu. Klanglich ist “Space Ship“ mit seiner rauen Zärtlichkeit einer der Höhepunkte dieses mit zeitlosen, blitzsauber aufgenommenen Songs punktenden Albums. Dessen Sound sei erdig und trocken, fasst Kümmert kurz und bündig zusammen. “Working Class Hero“ sei einfach ein solides Rockalbum. Dessen Cover ist übrigens von keinem Geringeren als dem britischen Grafikdesigner und Fotografen Brian Cannon gestaltet worden, der schon für Oasis und The Verve gearbeitet hat.

Musik ist ja auch oft verbindend und so. Leute verbinden Lebensgeschichten mit Musikstücken.

Andreas Kümmert

Kümmerts aktuelles Album beginnt und endet mit Geräuschen des klassischen Senderdurchlaufs. Das ist, dem Titel des Albumaufmachers “Leave The Radio On“ zum Trotz, nicht unbedingt als Hommage ans Radio zu verstehen, spiegelt aber den Wunsch wider, genau dort auch einmal gespielt zu werden, und befeuert die Sehnsucht nach dem klassischen Lagerfeuereffekt. Denn Musik wird von dem stimmgewaltigen Sänger vom Main als etwas die Menschen Verbindendes verstanden. Und mittlerweile ist ja auch seine eigene Lebensgeschichte ganz eng mit bestimmten Songs verwoben. Andreas Kümmert, dieser “Working Class Hero“ der Musik, könnte sich nun erst einmal in Ruhe zurücklehnen und die Früchte seiner Arbeit am neuen Album genießen. Das wird er aber mit Sicherheit nicht tun, denn sein Tourenplan ist bis in den Herbst hinein gut gefüllt. Die Arbeit kann weitergehen!

Andreas Kümmert - “Working Class Hero”
Drakkar Entertainment
EAN: 0884860505529
VÖ: 14. April 2023

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Nachmittag, 8. Mai 2023, 14:40 Uhr

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